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Architektur als Mehrwert

Bei Fabriken, Supermärkten oder Verwaltungsgebäuden steht die Ästhetik oft an letzter Stelle. Ein Fehler, glaubt Lars Frerichs. Denn eine ansprechende Gestaltung wertet nicht nur die Gebäude auf, sondern schaffe echte Mehrwerte für die Bauherren. Welche das sind, erklärt der Oldenburger Architekt in seinem Gastbeitrag.

Es gibt den bekannten Spruch, wonach das Gras in Nachbars Garten immer grüner ist als das eigene. Man könnte es daher als einen nicht ganz ernstzunehmenden Reflex abtun, wenn Reisende aus den Niederlanden mit Sätzen zurückkehren wie: „Die Gewerbegebiete dort sehen irgendwie besser aus als bei uns.“ Oder: „Die Architekten in Holland sind viel mutiger als die deutschen.“

Leider steckt dahinter mehr als eine von Reisefieber oder Fernweh getrübte Beobachtung. Und das liegt an der Grundhaltung, mit der viele Bauherren und Architekten in Deutschland an Projekte im Bereich von Gewerbeimmobilien herangehen. Oft sind sie von der Überzeugung getragen, dass es sich dabei um rein funktionale Objekte handele und daher kein Platz sei für architektonische Spielereien – die obendrein auch noch das Budget belasten könnten.

Doch das ist eine sehr kurzsichtige Betrachtung, der eine falsche Auffassung von architektonischer Ästhetik zugrunde liegt. Denn dabei geht es keineswegs um Spielereien, sondern um einen Wesensbestandteil von Architektur, der genauso selbstverständlich bei der Planung eines Gebäudes mitgedacht werden sollte wie die Statik oder eine sinnvolle Umsetzung des Raumprogrammes. Denn Ästhetik hat eine Funktion, die über optische Gefälligkeit weit hinausgeht.

In den Niederlanden ist diese Auffassung schon länger Konsens, was sich entsprechend in der Architektur niederschlägt. Die hohe Bedeutung, die unsere Nachbarn gestalterischen Gesichtspunkten beimessen, zeigt sich schon in der Tatsache, dass dort jeder Bauantrag von einer sogenannten Welstandscommissie auf seine ästhetische Qualität hin überprüft wird.

Die gute Nachricht ist, dass Deutschland im europäischen Vergleich in den vergangenen Jahren architektonisch aufgeholt hat. Es gibt auch hierzulande inzwischen eine ganze Reihe von Vorzeigeobjekten – auch im gewerblichen Bereich. Vielen innovativen Unternehmern ist das Thema Architektur ein echtes Anliegen. Das ist eine schöne Entwicklung.

Und auch auf Architektenseite zeichnet sich ein positiver Trend ab. Oft sind es junge Architekten, die gestalterisch neue Wege gehen. Aber auch etablierte Büros haben die Freude an Formen und Vielfalt wiederentdeckt und holen die Auftraggeber mit künstlerisch hochwertigen und emotional ansprechenden Entwürfen dort ab, wo sie stehen. Ein Beispiel dafür ist das Büro Reichel-Schlaier aus Stuttgart, das jüngst für die mutige Gestaltung eines Areals des Reinigungsgeräteherstellers Kärcher mit Baden-Württembergs wichtigstem Architekturpreis ausgezeichnet wurde.

Solche Leuchtturmprojekte sind wichtig, weil sie Strahlkraft über den jeweiligen Standort hinaus entwickeln. Die breite Masse gewerblicher Unternehmen haben sie allerdings noch nicht erreicht, sieht man einmal von Branchen wie der Hotellerie oder der Gastronomie ab, in der Architektur traditionell eine wichtige Rolle spielt, weil sie Kunden überzeugen soll.

Beim Bau von Logistikcentern, Lagerhallen oder Produktionsstätten dagegen lässt die Ästhetik häufig zu wünschen übrig, insbesondere an Standorten in Randlagen oder in Gewerbegebieten kleinerer Gemeinden. Hinzu kommt, dass die Kommunen kaum Gestaltungsparameter vorgeben, um die Ansiedelung von Gewerbebetrieben nicht zu erschweren.

Dabei wäre es gerade in unattraktiven Gegenden wichtig, der Belegschaft zuliebe ein attraktives Umfeld in individuell gestalteten Gebäuden zu schaffen. Denn das stärkt die Identifikation mit dem Job und bindet die Mitarbeiter ans Unternehmen. In Zeiten des Fachkräftemangels ist dieser weiche Standortfaktor von nicht zu unterschätzendem Wert.

Das ist aber nicht der einzige Grund, der Architektur einen höheren Stellenwert einzuräumen. Sie zahlt daneben auch auf den Markenauftritt und das Branding eines Unternehmens ein. Zudem kann die Gestaltung einen Beitrag dazu leisten, Betriebsabläufe zu optimieren und effizienter zu arbeiten. Architektonische Gestaltungsmittel können gezielt eingesetzt werden, um das Arbeitsumfeld zu optimieren oder entsprechende Raumqualitäten zu schaffen. Voraussetzung ist ein entsprechender Planungsprozess, der seinen Namen verdient.

Es gibt also viele gute Argumente, sich im Interesse eines Unternehmens mutig für das Thema Architektur einzusetzen. Letztlich sind Aspekte wie Marketing oder Mitarbeitermotivation nur eine Seite der Medaille. Denn als bauender Unternehmer sollte man immer von einem Verantwortungsgefühl geleitet werden, das über das Eigeninteresse hinausgeht. Umweltaspekte und das bauliche Umfeld sollten ebenso in die Planung einbezogen werden wie die unmittelbare Nachbarschaft und die Gesellschaft als Ganzes. Auf all diese Felder kann eine ansprechende Architektur einen positiven Effekt haben.

Und zu guter Letzt wirkt sie dem Gefühl entgegen, dass das Gras der Nachbarn grüner sei. Wer weiß, vielleicht berichten holländische Touristen nach Besuchen in Nordwestdeutschland ja in einigen Jahren von demselben Eindruck.

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