Waldorfschule

9grad architektur ließ sich von der pädagogischen Haltung der Schule inspirieren und übersetzte diese in angemessene gestalterische Motive für die Erneuerung. Ein Grundgedanke der Waldorfpädagogik ist das Entfalten dessen, was im Kind bereits angelegt ist. Diese Entwicklung geschieht in einem geschützten Umfeld, das Potenziale sichtbar macht und fördert. Mit gleicher Haltung wurden die Qualitäten des Bestandsgebäudes identifiziert und in die neue architektonische Logik integriert. Trotz zahlreicher Eingriffe bot der Altbau noch immer eine klare Grundstruktur: einen geradlinigen, durchgehenden Flur mit daran angedockten Klassenräumen auf zwei Ebenen. Die Eingangssituation hingegen war unlogisch gesetzt, und das Obergeschoss mit seiner niedrigen Dachkonstruktion wurde als beengt empfunden. In intensiven Workshops mit dem Schulteam wurden die räumlichen und funktionalen Qualitäten des Gebäudes analysiert und daraus Leitlinien für eine nachhaltige Erneuerung mit Blick auf die zukünftigen Anforderungen entwickelt.

Im neuen Entwurf bildet eine klar definierte zentrale Eingangssituation das pulsierende Herz der Schule. Dieser Bereich, verbunden mit dem grünen Schulhof auf der Rückseite, dient als Begegnungsraum. Vom Herz aus sind die Kindergartenräume, die Unterstufe (Klassen 1 und 2), die Aula sowie die unterstützenden Funktionen unmittelbar erreichbar. Auch im Obergeschoss setzt sich dieses Herz fort – in Form einer offenen Lern- und Arbeitslandschaft mit Bibliothek und Teamraum. Die Positionierung dieser zentralen Räume im Gebäudemittelpunkt schafft eine eindeutige räumliche Struktur und eine starke innere Verbindung.

Ein weiterer Kern des Waldorfunterrichts ist das Erleben von Gemeinschaft und das bewusste Verhältnis des Kindes zu seiner Umgebung. Das Kind nimmt die Welt wahr, ordnet sie ein und entwickelt eine eigene imaginative Kraft. Die Beziehung zwischen innen und außen bildet daher ein zentrales Entwurfsmotiv. Alle Klassenräume erhalten eine deutlich intensivere Verbindung zum grünen Schulhof. Im Obergeschoss verknüpft ein hölzernes Deck den Lernbereich mit dem Außenraum; über eine neue Außentreppe entsteht ein direkter, spielerischer Austausch zwischen beiden Ebenen und dem Freiraum.

Die Renovierung ist nicht nur räumlich und funktional durchdacht, sondern zeichnet sich auch durch ihre konsequent nachhaltige Umsetzung aus. Das gesamte Gebäude wurde mit biobasierter Holzfaser gedämmt und erfüllt damit energetisch den Neubaustandard. Ein dezentrales Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung sorgt für ein gesundes Raumklima und integriert sich unauffällig in die bestehende Dachstruktur. Bestehende Wände und Böden wurden, wo möglich, erhalten. Neue Elemente – darunter die Eingangssituation, die biobasierte Bambusfassade und das Außendeck – sind in Holzbauweise realisiert. So bleibt der ökologische Fußabdruck gering, während die ursprüngliche bauliche Struktur gleichzeitig gestärkt wird.